Das Thema Barrierefreiheit ist seit diesem Sommer für viele Stiftungswebsites (und Apps) relevant geworden.
Was ist Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit ist kein neues Konzept. Es geht darum, Hindernisse zu beseitigen für Menschen mit Beeinträchtigungen, sei es im Sehen, Hören, in der Motorik oder bei kognitiven Herausforderungen, wie Lese-Rechtschreib-Thematiken oder sensorischen Belastungen. Dazu gehören übrigens auch temporäre Einschränkungen für Jedermann – die blendende Sonne auf dem Handy-Display oder wenn man was Schweres trägt und nur eine Hand frei hat. Jede Verbesserung in dieser Hinsicht fällt grundsätzlich unter das Thema.
Neue gesetzliche Bestimmungen
Seit dem 28. Juni 2025 sind spezifische Barrierefreiheits-Bestimmungen auch für privatwirtschaftliche und andere Unternehmen bindend. Es geht dabei auch um diverse Geräte, elektronische Kassen etwa, nicht einzig um Websites. Eine ausführliche Abhandlung zu diesem neuen Barriefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) hat etwa die Aktion Mensch.
Eine wichtige Frage ist: Fällt die Website von Ihnen als Stiftung unter diese Bestimmungen?
Das BFSG enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen für Stiftungen. Es muss also genauer hingeguckt werden: Treffen im Gesetz genannte Kriterien auf Ihre Stiftung zu?
Entscheidende Frage dürfte sein, ob Ihre Stiftungswebsite „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ anbietet. Ab hier schlagen die Gesetzestete leider einen indirekten Weg ein:
Was solche Dienstleistungen sind, zieht das BFSG aus dem Digitale-Dienste-Gesetz. Dieses wiederum nennt die EU-Richtlinie 2015/1535. Auch dort ist noch Gespür für Interpretation gefragt. Ich lese es so dass „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“ darunter fällt. Das hiesse dann:
- Dienstleistungen, die im wesentlichen online und weitgehend automatisch ablaufen, sorgen im Allgemeinen dafür, dass eine BFSG-Zuständigkeit besteht und man zur barrierefreien Gestaltung der Website verpflichtet sein dürfte. Automatisierte Online-Kurse, Streams, E-Books wären solche Dienstleistungen.
- Dienstleistungen, bei denen „nur“ online bestellt wird oder die in individuellen menschlichen Austausch münden, wären keine solchen Dienstleistungen. Etwa ein online bestelltes, gedrucktes Buch im Postversand oder eine, zwar online stattfindende, persönliche Live-Beratung.
- Spenden, auch wenn sie elektronisch abgewickelt werden, würden ebenfalls nicht zu einer BFSG-Verpflichtung führen, weil der elektonische Fernabsatz gegen Entgelt hier so nicht greift.
(In einer früheren Fassung dieses Artikels hatte ich mich der Einschätzung der Aktion Mensch angeschlossen, nach der Interaktionsmöglichkeiten per se auf einer Website, also z.B. Formulare, Terminbuchungs-Optionen, dazu führen, dass sie unter das BFSG fällt. Ich halte den dortigen Themenschwerpunkt weiterhin für eine sehr lesenswerte Vertiefung zum Thema. Bin in diesem Punkt aber, wie oben beschrieben, der Meinung, dass sich das nicht so ohne Weiteres abtragen lässt).
Bei grundsätzlicher Verpflichtung gibt es noch einmal mehr oder weniger drei Ausnahmen, oder Umstände unter denen eine Stiftung nicht betroffen ist. Meine Vermutung ist, dass die für die Mehrzahl von Ihnen dann aber nicht eindeutig zutreffen:
- Websites, die ausschließlich für den Business-to-Business-Betrieb genutzt werden
- Reine Website-Visitenkarten ohne interaktive Funktionen. Sobald aber ein Kontaktformular, Bestellmöglichkeiten oder andere Interaktionen vorhanden sind, sind Sie wahrscheinlich betroffen
- Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden bzw. einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro. Aber selbst hier gibt es Ausnahmen, wenn Ihre Zielgruppe Barrierefreiheit benötigt
Was muss ich beachten, wenn die Barrierefreiheits-Pflicht ruft?
Die neuen Bestimmungen basieren auf einer Norm, “EN 301 459” (abgetragen von den internationalen und etwas einprägsamer genannten “Web Content Accessibility Guidelines – WCAG”). Einen tiefen Einstieg in die Prüfschritte zur Norm bietet die Website „BITV-Test“.
Neben den Normierungen gibt es noch eine Pflicht zu einer Barrierefreiheits-Erklärung – so ein Bisschen nach Art der Datenschutzerklärung ihrer Website. Eine Anleitung zum Erstellen dieser -nebst Verweis auf einen automatischen Generator dafür- hat „gehirngerecht“. Ein anschauliches Praxisbeispiel für eine Barrierefreiheits-Erklärung bietet die Stiftung Historische Museen Hamburg.
Bei neuer Entwicklung wie einem Website-Relaunch muss die Barrierefreiheit sofort umgesetzt werden. Aber auch jede neue Veröffentlichung – etwa ein Blogartikel oder ein Video auf Ihrer bestehenden Seite – kann als neuer barrierefreiheitspflichtiger Beitrag gelten (das ist tatsächlich nicht so klar, wie man sich wünschen würde, im Zweifel müsste man sich streiten, wo eine “wesentliche Änderung” der Seiteninhalte losgeht. Für die Praxis ist mein Gefühl: Eher schnell, bald und niederschwellig…)
Was passiert bei Nichteinhaltung?
Wer die DSGVO kennt und den Umgang damit – bei der Barrierefreiheit scheint mir das Boot ein ganz kleines Bisschen weniger zu brennen, denn Sie werden zunächst einmal nur behördlich aufgefordert, Anpassungen vorzunehmen, beanstandete Mängel zu beseitigen. Bußgelder kämen in einem zweiten Schritt in Betracht. Die werden auch grundsätzlich nicht in die zweistelligen Millionen gehen wie bei der DSGVO möglich (zwar wird auch bei der Barrierefreiheit zumindest an der 6stelligkeit gekratzt. )
Die eben erwähnte Barrierefreiheits-Erklärung ist hier auch noch mal ganz interessant: In ihr besteht die Möglichkeit, ebenfalls zu dokumentieren, an welchen Barrierefreiheits-Punkten gerade noch gearbeitet wird.
Handlungsbedarf sollte Ihnen aber auch unabhängig vom behördlichen Druck am Herzen liegen: Wir tun mit dem Ganzen ja auch etwas Sinnvolles, deswegen möchte ich ab diesem Moment im Vortrag eigentlich von den Vorschriften und dem Zwang zur Einhaltung wegkommen und ermuntern, das auch mal als Anregung zu verstehen, hier etwas Gutes zu tun bezüglich der Erreichbarkeit Ihrer Anliegen für Alle:
Wie können Sie Ihre Website barrierefrei gestalten?
Es gibt konkrete Maßnahmen, die Sie umsetzen können – ungefähr zehn wichtige Punkte:
- Textliche Alternativen – bieten Sie Alternativtexte für Bilder und andere nicht-textliche Inhalte an
- Verständlichkeit – stellen Sie Inhalte in einfacher Sprache zur Verfügung
- Kontraste – achten Sie auf ausreichende Farbkontraste zwischen Vorder- und Hintergrund, damit Texte gut lesbar sind
- Tastaturbedienung – Ihre Website sollte komplett mit der Tastatur, also ohne Maus, bedienbar sein. (Sollte Ihnen diese Art der Bedienung neu sein, empfehlen wir als Beispiel einen Blick auf die Website der Grünenthal-Stiftung: Wenn Sie dort beginnen, mit der Tabulator-Taste die Site zu bedienen (und „Shift+Tab“ für einen Sprung zurück) erklärt sich vieles von selbst.
- Klare Struktur – logische Menüführung und eine klare Seitenstruktur helfen bei der Orientierung
- Einfache Schrift – vermeiden Sie grafisch verschnörkelte und kleine Schriften
- Flickerfreiheit – verzichten Sie auf flackernde Effekte (wichtig auch im Hinblick auf Epilepsie)
- Videos mit Untertiteln – stellen Sie Untertitel für Ihre Videos bereit, damit Inhalte auch textlich erfasst werden können
- Gerätekompatibilität/Robustheit – Ihre Website muss auf verschiedenen Geräten funktionieren, Schreibtischrechner, Handys – auch ältere. Und auf den Screenreadern, die ggf. Webseiten “vorlesen”.
- Wiederkehrende Tests – Barrierefreiheit ist ein Prozess, deswegen gehören regelmäßige Tests und Wiederholungen dazu
Diese zehn Punkte klingen nach viel, aber sie sind der Weg zu einer zugänglicheren Website. Sehr viel und ausführlich zu den Anforderungen an die barrierefreie Stiftungswebsite hat ebenfalls noch mal die Aktion Mensch geschrieben.
Barrierefreiheit ist eine fortlaufende Aufgabe.
Wenn Sie jetzt fragen: “Wie gehe ich denn damit um?” An allen Punkten hier oben gibt es bereits Beispiele und Verweise auf ausführliche Abhandlungen. Ein Test-Tool zur Barrierefreiheit finden Sie hier – und natürlich meine Kontaktdaten: Ich biete einen pauschalen Kompakt-Check Ihrer Site an und selbstverständlich Überlegungen, wie es weiter gehen kann. Sprechen Sie mich an!
Ich schließe ich mit so einer Art Abzählreim, mit dem ich mir selbst diese manchmal ja doch etwas unübersichtlichen 10 Punkte merke:
“Text, Verständlichkeit, Kontraste,
Taste. (Sie wissen schon, das mit dem Steuern per Tastatur…)
Strukturiert, Schnörkellos, flickerfrei
Video-Untertitel dabei?
Für alle Geräte (nicht nur die Besten…)
Testen!”
Vielen Dank.